Busóztató


2024, Performance und Kostüm

Ich selbst bin überzeugt, dass ich im Alter von 0–3 Jahren Busós oder gar einen Busó-Festzug gesehen habe. Im Kindergarten im Alter von 4 Jahren bin ich das erste Mal mit dem Krampus-Brauch in Berührung gekommen und erinnere mich, dass ich die Gesten des Krampus, wie das Verschenken von Stöcken und Kohle sowie das Kinder-in-den-Sack-Stecken, als gutherzige Neckereien ähnlich dem Süßigkeiten-Verschenken der Busós fehlinterpretiert habe. In meiner Erinnerung sollten diese dämonenartigen Wesen schelmenhafte, geometrische Gesichter haben, so wie es bei den Busós üblich ist.

Als ich später über diese Kindheitserinnerungen recherchierte, war ich schockiert darüber, wie grotesk und in meinen Augen falsch die Krampusgesichter ausgearbeitet waren. Wie kann man Kindern nur so etwas antun? Diese Verwirrung führte zu einer intensiveren Beschäftigung mit ähnlichen Bräuchen, bis ich auf die Busós stieß. Sofort hatte ich ein wohlig warmes Gefühl, das mich einnahm: sie waren mir vertraut, ich habe sie gefunden!
Interessanterweise konnen sich weder meine Eltern noch meine lebenden Großeltern daran erinnern, mich zu solch einem Ereignis begleitet zu haben. Mein Vater vermutet, dass ähnliche Rituale im Dorf seines Vaters in Rumänien, die den Winter vertreiben und den Frühling begrüßen, stattgefunden haben könnten, obwohl er selbst nie daran teilgenommen hat.

Diese Unsicherheit und die fragmentierten Erinnerungen haben den narrativen, mystischen Hintergrund der Performance geprägt. Wir Menschen neigen dazu, dass sich unsere Erinnerungen verfälschen und wir Erlebtes, Geträumtes, Gedachtes und von anderen Gehörtes zu eigenen, neuen, ganz wahren und fühlbaren Erinnerungen zusammenverwursten und mystifizieren. Diese Eigenschaft des menschlichen Gedächtnisses spielt eine zentrale, wahrscheinlich sogar schöpfende Rolle in meiner Arbeit.

Historisch gesehen sind die Busós Teil eines traditionellen Festes in Mohács, Ungarn, das seit Jahrhunderten jedes Jahr im Februar stattfindet. Es handelt sich dabei um ein heidnisches Ritual, das darauf abzielt, den Winter zu vertreiben und den Frühling willkommen zu heißen. Die Busós, verkleidet in furchteinflößenden Kostümen mit Masken, Tierfellen und Glocken, ziehen in Prozessionen durch die Stadt und schaffen eine wilde, chaotische Atmosphäre, die als Urschrei des Frühlings verstanden werden kann. Einer Legende nach trieben die Busós ursprünglich die osmanischen Besatzer aus der Stadt, indem sie nachts in ihren Furcht einflößenden Kostümen aus den Wäldern kamen und die Osmanen in die Flucht schlugen. Die Parallelen zu dem Winter, der seitdem jährlich in die Flucht geschlagen wird, sind hier zu beachten. Diese Rituale sind als immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anerkannt und symbolisieren eine tief verwurzelte kulturelle Tradition.

Meine Arbeit „Busóztató“ greift diese tief verwurzelten Rituale auf und transformiert sie in eine zeitgenössische künstlerische Sprache.

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Als Busó trage ich eine Maske und eine typische Busó-Verkleidung, die traditionelle Elemente aufgreift und an anderen Stellen mit zeitgenössischen Accessoires durchbricht. Zu der Verkleidung gehören eine mehrgenerationenalte (150 Jahre) hölzerne Heugabel mit einem montierten Hirschschädel, Glocken (die älteste Glocke ist rund 500 Jahre alt) und Schellen an einem Riemen (um die 100 Jahre alt), rosa Schleifen, Socken mit rosa Böbbeln, eine Jacke aus Fellen des ungarischen Zackelschaffes, eine Busó-Maske aus Gelatine und eine diese rahmende Haube aus Zackelschafwolle, die mit einem Hirschgeweih gehörnt ist.

Die Performance Busóztató verschmilzt rituelle Elemente, traditionelle Tänze und stille Erklärungen zu einer kraftvollen visuellen und auditiven Sprache, die die kulturellen und spirituellen Hintergründe der Rituale respektiert und hervorhebt. Sie bietet eine mystifizierte Erfahrung, die das Publikum wortlos in die Geheimnisse der Busós einführt und gleichzeitig die archaische Kraft dieser Tradition, sowie meiner ganz persönlichen Erinnerung erfahrbar macht.